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Gabriele Kienzl:

Bestattungsbücher und Kriegsgräberlisten

 

Bestattungsbücher in Friedhofsverwaltungen

Es gibt in Berlin ca. 250 Friedhöfe, davon 121 evangelische, 109 landeseigene, 12 katholische und 6 jüdische.

Eine Friedhofsverwaltung ist zumeist mit der Verwaltung von etwa 3-5 Friedhöfen beschäftigt und besitzt die entsprechenden Bestattungs- oder Totenbücher, die immer in chronologischer Folge die Bestattungen auflisten. Gelegentlich gibt es alphabetisch sortierte Bücher oder Karteikästen, die den Angestellten die Beantwortung von Nachfragen erleichtern sollen.

Darüber hinaus sind allerlei Akten zur konkreten Gestaltung des Friedhofs anzutreffen: Gießpläne, Verwaltung von Legatsgräbern, Gestaltung der Wege und Grünanlagen, Genehmigungsverfahren für Grabsteine etc. In den Bestattungsbüchern von 8 evangelischen Friedhöfen konnte ich nur bei Dreifaltigkeit III in Mariendorf ZwangsarbeiterInnen finden, alle anderen Friedhöfe verzeichneten keine Gräber von Ausländern.

Schon ab 1942 sollten durch “Feindeinwirkung” verstorbene Zivilarbeiter auf separaten Feldern beigesetzt werden, “Ostarbeiter” allerdings ohne namentliche Nennung, ab 1944 dann - wie bei den “Westarbeitern“ schon vorher – mit Namen. Dieses Vorgehen wurde 1952 in einem Gesetzesentwurf bestätigt. Erst 1965 wurden dann auch die ZwangsarbeiterInnen dazugenommen, die nicht an Bomben, sondern an “natürlichen” Ursachen (“Herzmuskelschwäche” bei 20-jährigen etc.) in Deutschland bis Mai 1945 gestorben sind (zum Vergleich: deutsche Soldaten galten noch 1 Jahre nach ihrer Rückkehr aus der Gefangenschaft als Kriegsopfer sofern sie an den Folgen der Gefangenschaft starben).

Die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft werden vom Bund finanziert. Zur Abwicklung dieses Verfahrens werden Kriegsgräberlisten geführt, die zentral gesammelt werden, aber - in der jeweils aktuellen Fassung (es gibt durch Umbettungen innerhalb des Friedhofs und auf zentrale Ehrenfriedhöfe immer wieder Veränderungen) - auch in der Friedhofsverwaltung einzusehen sind

 

Kriegsopferlisten in der Sentsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz,
Abt. Gräberwesen, Am Köllnischen Park 3,
Tel: 9025-1427, Dr. Büchner, Frau Knoop

Das Aufsuche jeder einzelnen Friedhofsverwaltung ist mühsam, weshalb die zentrale Erfassung aller Kriegsgräber in der Senatsverwaltung die Forschung sehr erleichtert.

In den Friedhofsverwaltung wurden die Kriegsopferlisten bereits 1946 erstellt und im Laufe der Jahrzehnte mehrmals umgearbeitet. Die ersten Listen von 1946 nennen sich “Grundlisten” und liegen für die 3 Westsektoren als Unikat in teilweise schlechtem Zustand in der Senatsverwaltung. Die “Grundlisten” für den ehem. Sowjetischen Sektor liegen dort nur in schlechter Kopie vor, die Originale werden bei der WAST (Eichborndamm) aufbewahrt. Trotzdem können in der  Senatsstelle die Kriegsopferlisten aller Berliner Friedhöfe eingesehen werden.

 Denkbar ist allerdings, daß manche Friedhofsverwaltungen ZwangsarbeiterInnen nicht in die Listen eingetragen haben, daß also bei Durchsicht der Bestattungsbücher doch noch ZwangsarbeiterInnen auftauchen könnte. Es handelte sich meiner Meinung nach aber um Einzelfälle.

 

Diese “Grundlisten” enthalten die meisten Informationen. Sie wurden recht exakt aus den Bestattungsbücher übertragen, die ihre Information wiederum in der Regel aus den Todesscheinen beim Standesamt beziehen. Meistens sind folgende Informationen zu entnehmen:

     Name und Vorname

     Geburtsdatum oder zumindest Alter

     Geburtsort

     Letzter Wohnsitz (die Spalte mit den Lageradressen)

     Todesort (Krankenhäuser, aber auch andere Adressen)

     Todesursache

     Todes- und/oder Bestattungsdatum

     Zuständiges Standesamt, Nr.

     Grablage samt evt. Umbettungen

     Nationalität

 

Es ergeben sich aus den Bestattungsunterlagen Lageradressen, die bisher noch nicht bekannt waren. Die Auswertung von etwa einem Drittel der Unterlagen hat über 500 Adressen erbracht, darunter noch nicht bekannte.

 

Friedhöfe mit Gräbern von Zwangsarbeiterinnen

Offensichtlich wurden ZwangsarbeiterInnen auf festgelegten Friedhöfen beerdigt und nicht auf dem nächstgelegenen. Im Januar 1945 bestimmt der Polizeipräsident in Berlin (Abteilung V, Berlin C 2, Magazinstr. 3/5) Berliner Friedhöfe, auf denen “Ostarbeiter“ beerdigt werden sollen. Die Durchsicht der Kriegsgräberlisten ergibt eine weitgehende Übereinstimmung mit dieser Anordnung. Diese  Struktur verfestigte sich durch die Anlage von Ehrenhainen ab den 50ern.  Allerdings liegen auf vielen Friedhöfen einige Ausländer (sog. “Einzelgräber in Streulage“), überwiegend Bombenopfer von 44/ 45.

    1. Städt. Fh. Spandau “In den Kisseln”: ca. 1000 ZwangsarbeiterInnen

    2. Städt. Fh. Wilmersdorfer Waldfriedhof Gütersfelde: 1.500 “Ostarbeiter”, ca. 300 ZwangsarbeiterInnen anderer Nationalität ( die Sterbefälle sind alle im Standesamt Mahlow beurkundet, vermutlich starben die meisten im “Ausländerkrankenhaus”)       

    3. Städt. Fh. Friedhof Baumschulenweg: ca. 350 ZwangsarbeiterInnen

    4. Städt. Fh. Heiligensee (auch unter dem Namen “Frz Fh. Frohnau): ca. 1500 ZwangsarbeiterInnen, überwiegend Franzosen und Belgier

    5. Städt. Fh. Mahrzahn: ca. 1500 v.a. “Ostarbeiter”

    6. Städt. Fh Parkfriedhof Tempelhof (früher Städt. Fh. Neukölln): ca. 150 ZwangsarbeiterInnen

    7. Städ. Fh. Waldfriedhof Zehlendorf: ca. 1200 Italiener, darunter auch umgebettete ZwangsarbeiterInnen (Anlage dieses Ehrenfriedhofs ab 1955)

    8. Städt. Fh Reinickendorf Freiheitsweg: ursprünglich ca. 100 ZwangsarbeiterInnen, weiter wurden in den 70ern dorthin umgebettet

    9. Städt. Friedhof Pankow VI in der Schönholzer Heide ca. 100 ZwangsarbeiterInnen

    10. Kath. St. Hedwigs Fh. III, Reinickendorf: ca. 500 ZwangsarbeiterInnen

    11. Kath. St. Hedwigs Fh IV, Hohenschönhausen: ca. 2.2000 ZwangsarbeiterInnen, darunter etwa 1000“ Ostarbeiter”

    12. Ev. Dreifaltigkeits Fh. III, Mariendorf: ca. 120 ZwangsarbeiterInnen

    13. Ev. Fh Marienfelde: 35 Tschechen und Holländer liegen in einem Sammelgrab

Die meisten ZwangsarbeiterInnen wurden auf städtischen Friedhöfen bestattet.

Auf evangelischen Friedhöfen fanden nur etwa 200 statt, während auf zwei Friedhöfen der kath. Hedwigsgemeinde zusammen fast 4.000 ZwangsarbeiterInnen beerdigt sind.

 

Zahl der in Berlin bestatteten ZwangsarbeiterInnen

Zusammen mit den Einzelgräber, die auf vielen Friedhöfen vorkommen, sind ca. 10.000 ZwangsarbeiterInnen anhand der Kriegsgräberlisten namentlich einem Friedhof zuzuordnen.

In der Senatsstelle sind darüber hinaus ca. 1000 Karteikarten zu finden von Ausländern, deren Name, Geburts- und Todestag bekannt ist, deren Grabstätte aber nie aktenkundig wurde.

Weitere ca. 1.500 Karteikarten - nach Nationen sortiert - enthalten Namen von Ausländern mit Begräbnisstelle, die allerdings im Zuge der stetigen Umbettungen verloren gingen und deren tatsächliches Grab nicht mehr lokalisierbar ist.

Es wurden also in Berlin etwa 12.500 Bestattungen aktenkundig. Diese Zahl scheint recht gering bei einer geschätzten Anzahl von 500.000 ZwangsarbeiterInnen in Berlin.

Es würde bedeuten, dass 2,5% der ZwangsarbeiterInnen gestorben sind. Folgende Gründe sind denkbar:

    Nicht alle Bestattungen wurden aktenkundig (anonyme Massengräber?)

    Bestattungen fanden in Brandenburg statt, weil kranke ZwangsarbeiterInnen in “Sammelstellen“ außerhalb Berlins gebracht wurden

    Die Berliner Friedhöfe sind voll mit “Unbekannten“ (mind. 10.000), vielleicht sind viele verstorbene Zwangsarbeiter unter dieser Rubrik beerdigt worden.

 

Praktische Bedeutung für Angehörige ehemaliger ZwangsarbeiterInnen

Da in der Regel Geburtsdaten und oft auch Orte genannt sind, könnte bei entsprechender Erfassung evt. Hinterbliebenen Auskunft zum Grab und den Todesumständen gegeben werden. Für die unmittelbare Suche nach Überlebenden ergibt sich aus diesen Quelle vermutlich nichts.

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